Weshalb es vorkommt, dass der weltbeste Melkroboter ratlos blinkt und piept, warum es im Stall einen grosszügigen Balkon gibt und was es mit der weiss gepuderten Liegefläche auf sich hat. Dies und vieles mehr haben die dreissig Interessierten auf dem Rundgang durch den neuen Laufstall am Wallierhof erfahren.
Der Betriebsleiter Christoph Dreier hat uns an diesem angenehmen Sommerabend auf dem Gelände des solothurnischen landwirtschaftlichen Bildungszentrums willkommen geheissen. Im Mittelpunkt stand der Neubau des Rindviehstalles, welcher im August 2018 eingeweiht wurde. Die Hälfte des 58 ha LN umfassenden Betriebes besteht aus Grünland und entspricht dem kantonalen Durchschnitt. Auf der anderen Hälfte werden Weizen, Dinkel, Gerste, Raps, Sonnenblumen, Kartoffeln, Mais und Obst angebaut. Der Betrieb wird konventionell geführt, ist aber offen für Projekte mit vermindertem Pflanzenschutz-Einsatz. Der Gutsbetrieb bietet Arbeit für drei Festangestellte und zwei bis drei Lernende / PraktikantInnen. Sie sind es gewohnt im Auge der Öffentlichkeit zu arbeiten. Ist der Gutsbetrieb und im Speziellen der Stall mit seiner Besucherplattform während 365 Tagen offen für Interessierte.
Für 4.2 Mio Fr. wurde der in die Jahre gekommene und arbeitstechnisch unpraktische Gutsbetrieb rundum erneuert. Die Schweinehaltung wurde aufgegeben. 1.7 Mio wurden für den Milchviehstall und die 1‘000 m³ Jauchegrube aufgewandt. Pro GVE ergab dies ein Betrag von Fr. 23‘850.–. Das Fahrsilo, die neue Remise und das Haus der Bienen waren weitere Teile des Neubaus. Aus geologischer Sicht mussten der Stall und die Remise mit Pfählen unterstützt werden. Diese bauliche Massnahme wurde unter „Unvorhergesehenes“ abgehakt.
Der neue Offenfrontstall erfüllt nun optimal alle Tierschutzvorgaben. Drei Seiten sind offen, jedoch mit der Option, diese mit Blachen schliessen zu können. Die beiden Dachhälften sind isoliert. Der First ist offen und lässt warme Stallluft entweichen.
Die 70 GVE sind in zwei Herden unterteilt. Als Lern- und Ausbildungsort bietet der Wallierhof den Umgang mit zwei Formen der Rindviehhaltung. Es gibt eine Stallgruppe und eine Weidegruppe mit saisonaler Abkalbung.
Alle Kühe haben jedoch Zugang zum Melkroboter Lely A5. Tja, und dieser Lely kann so einiges. Einzig wenn sich der Stier in den Melkroboter verirrt, ist die Maschine überfordert. Dies ist jeweils ein Test für die Alarmmeldung via Handy, meint Christoph Dreier augenzwinkernd. Lely A5 arbeitet dank Elektromotor praktisch geräuschlos, was für alle Vier- und Zweibeiner sehr angenehm ist. Jede Kuh wird am Euter gereinigt, eingescannt, und gewogen. Die Milchmenge pro Viertel, das Total und die Milchtemperatur werden erfasst. Die Kaubewegungen des Tiers werden registriert. Nach dem Melken werden die Striche per Laser nochmals vermessen und mit Zitzenmittel behandelt. Eine riesige Datenmenge wird bei jedem Melkgang gespeichert. Abweichungen werden dem Betriebsleiter auf dem Handy präsentiert. Selbstverständlich erinnert sich Lely auch an jede Kuh, die dem melken zu lange fernbleibt. Dieser Kuh wird dann der Zugang zur neuen Weide oder zur Fressachse verwehrt. Ein Besuch beim Melkroboter und das Tor gibt den gewünschten Weg frei. Und weil die Kuh auf einem Bildungsbetrieb lebt, lernt sie selbstverständlich schnell und motiviert 😉
Die 33 Kühe der Stallherde haben den alten Stall noch gekannt und den Wechsel in den modernen Stall samt Melkroboter erfolgreich mitgemacht. Der Tierwohl-Berater Christian Manser hat die Einrichtung dieses Stallteiles begleitet. Die Kühe erbringen im Jahr eine durchschnittliche Leistung von 10‘000 kg. Das Kraftfutter erhalten sie beim Melkroboter. Einerseits wird die Kuh damit zum Melken gelockt, andererseits braucht sie dieses Futter um ihre Leistung zu erbringen. Den Tieren stehen Liegeboxen mit einer Kalk-Stroh-(Wasser)-Matratze zur Verfügung. Diese Unterlage wird alle drei Wochen erneuert. Die Boxen messen 1.27 m und bieten einen Fluchtweg nach vorne. Im Stall dreht ein Mistroboter seine Runden.
Die Kühe der Weide-Gruppe haben vom 20. Januar bis Mitte März abgekalbt. Im April wurden alle Tiere besamt (KB). Aktuell läuft ein Aubrac-Stier mit der Herde mit. Am 17. März wurde zum ersten Mal der Gang zur Weide ermöglicht. Seither wird im Stall drinnen, ausser dem Kraftfutter beim Melkroboter, nichts mehr gefüttert. Bisher wurde die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, den Kühen in der Nacht weniger Weide zur Verfügung zu stellen als am Tag. Die Tiere kommen dann eher Heim zum Melken. Ansonsten muss man sie auf der Weide abholen. Momentan wird eine Kuh der Weideherde im Tag durchschnittlich 2,4 Mal gemolken. Leider kann da der Stier den Durchschnitt nicht anheben J. Die Kälber beider Herden bleiben 3 bis 4 Monate auf dem Betrieb (im Stall) und gehen dann weiter. Entweder zügeln sie in einen Maststall oder auf den Aufzuchtbetrieb.
Ein Besuch im Haus der Bienen hat den Rundgang abgeschlossen. Der ehemalige Bienenverantwortliche, Sepp Brägger, hat uns das neue Bienenhaus gezeigt. Sehr chic!
Gegen Süden bringt die lamellenartig verglaste Wand viel Licht in den Raum. 24 Völker sind hier zu Hause. Zwölf leben in Magazinen, die anderen zwölf in Schweizer Bienenkästen. Neben dem Bienenraum befinden sich das Kurslokal, der Schleuderraum und eine Kühlzelle für die Aufbewahrung der Waben und des Honigs. Heuer machen die Bienen mit einem abnormalen Schwarmverhalten auf sich aufmerksam. Wir lassen Sepp Brägger die eingefangenen Schwärme einlogieren und begeben uns zurück auf die Plattform des Laufstalles.
Der Vorstand Bio NWCH hat einen kleinen Imbiss vorbereitet und lässt diesen interessanten Abend mit allen Anwesenden gemütlich ausklingen. Wir danken an dieser Stelle Christoph Dreier für die interessante Führung und wünschen weiterhin viel Freude mit dem neuen Stall.
Im Namen des Vorstandes Bio NWCH
Marianne Jaggi
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