
Knapp 30 Interessierte haben sich an diesem regnerisch-kühlen Abend auf dem Maiacker in Olsberg bei Adrian, Silvia und Florian Stohler eingefunden.
Silvia und Adrian haben sich voll und ganz der Milchproduktion verschrieben. Auf dem Rundgang spüren wir viel Engagement, Begeisterung und Wissen im Umgang mit dem lieben Vieh. Auch Sohn Florian (knapp 8) ist ein begeisterter Jungbauer. Seine Lieblingskuh heisst Ballerina. Auf ihr reitet der sympathische Lausbub ab und zu auf die Weide.
Der Hof liegt in Olsberg (politische Gemeinde Arisdorf), an der aargauischen Grenze zum Fricktal. Die 32 ha Weideland sind vorwiegend arrondiert. In alle fünf Himmelsrichtungen sind die vielen Weideparzellen direkt erreichbar. Die fünfte Himmelsrichtung wäre jene nach Neuseeland. Stohlers mögen dieses ferne Land jenseits der Erdkugel. Waren sie doch schon mehrmals dort um zu arbeiten oder Ferien zu geniessen. Dieses Fernweh wurde bisher gekonnt in den Arbeitsablauf eingebunden. Die saisonale Abkalbung, die neuseeländischen Holstein-Kühe, das Melksystem WAIKATO Milking System lassen Neuseeland auf dem Maiacker spüren.
Per 1.1.2018 begannen Adrian und Silvia mit der Umstellung auf die biologische Bewirtschaftung. Weshalb? Die Möglichkeit, 12 ha biologische Kunstwiesenfläche im Nachbardorf zu nutzen, der bisherige geringe Einsatz von Kunstdünger und der Verzicht auf Kraftfutter seit 2013 hat sie bewogen, den relativ kleinen Schritt zu tun. Zudem wurden die Blacken in den Weiden, die jedes Jahr ein Thema sind, nie chemisch bekämpft. Den Umgang mit dem Blackeneisen muss man ihnen also nicht näher bringen 😉
Abwechslungsweise haben Betriebsleiter und Betriebsleiterin über die Betriebsabläufe informiert. Beide arbeiten zu 100 % auf dem Betrieb und bewältigen die ganze Arbeit zu zweit.
Wir erfahren auf dem Rundgang, wie es sich als Rindvieh auf dem Stohler-Hof leben lässt. Die Kälber der 53 Kühe kommen ab Mitte Januar bis Mitte März in grosszügigen Abkalbeboxen zur Welt. Die Milchbars mit 20 Nuggis werden abends und morgens mit warmer Milch gefüllt. Schon bald gehört auch Heu auf den Menüplan, das die Kälber sehr lieben. Alle Kälber werden enthornt. Stohlers streben in Zukunft eine genetische Lösung an. Kälber, die für die Nachzucht gewählt wurden, bleiben bis im September auf dem Hof und gehen dann auf den Aufzuchtbetrieb. Gleichzeitig werden die tragenden Rinder zurückgeführt. Tränkekälber verlassen mit 65 kg den Maiacker. Ca. 10 Muni-Mastkälber werden für die Direktvermarktung behalten und im Sommer zu Fleisch-Mischpaketen verarbeitet. Nach dem Aufenthalt auf dem Aufzuchtbetrieb geniessen die neuseeländischen Holstein-Kühe (z.T. mit Jersey-Einfluss), welche im Alter von zwei Jahren zum ersten Mal kalben, die Weiden und den geräumigen Stall.
Der Stall wurde 2009 von Stohlers selber geplant und mit viel Eigenleistung gebaut. Bestechend ist die genial-einfache Konstruktion und die Höhe, welche sich bei der Sommerhitze als ideal erweist. Ein Mistroboter fährt tagsüber gemütlich seine Runden. Überwachungskameras liefern Bilder ins Wohnhaus. 2016 wurde der Stall um 10 Meter (auf 40 Meter) verlängert. Das Gelände und die Konstruktion haben dies problemlos ermöglicht.
Die Kühe sind in der Vegetationszeit täglich auf der Weide und holen ihr Futter selber. Im Stall wird selten zugefüttert. Seit 2013 verzichten Stohlers auf Kraftfutter. Die Portionenweide wechselt täglich. Am 20. Februar war dieses Jahr Weidebeginn. Aktuell beginnt die vierte Rotation der Weidparzellen. Die neuseeländische Holsteinkuh ist ein leichter Kuh Typ und macht wenig Trittschäden. Stohlers verhindern durch das straffe Weideregime, dass die Kühe nur rumlaufen, ohne zu fressen, und so der Weide-Grasnarbe schaden. Alle Weiden wurden nadisna mit Wasserleitungen und Schächten erschlossen. So kann der fahrbare Brunnen überall angeschlossen werden und die Kühe müssen sich nie über ein leeres Tränkefass ärgern.
Abgegraste Weideflächen werden mit dem Schleppschuhverteiler gedüngt, vorteilhaft am Abend.
Auf Futterbauflächen wird mit Erfolg die Zuchtform des Rohrschwingels eingesät. Stohlers setzen vermehrt auf Heu als auf Silage. Mit der Qualität der Siloballen hatten sie in letzter Zeit Probleme. Die Fläche des Heuraums wurde im Bauernhaus um 500 m³ erweitert und mit einem Kran ergänzt. Ein Entfeuchter sorgt für duftendes Heu.
Sechzehn Kühe haben im Melkstand mit Swing-Over-Melkgeräten gleichzeitig Platz. Mit den acht Melkmaschinen werden die Kühe zügig in einer Stunde gemolken. Der Melkstand ist simpel und funktionell. Die Sicht nach draussen in den Warteraum ist offen. So können während dem Melken die wartenden Kühe beobachtet werden. Die Milchleistung beträgt im Durchschnitt 5‘500 kg / Kuh.
Während der Abkalbezeit werden die Kühe per Temperaturkontrolle auf die Niederkunft hin geprüft. Wer mehr darüber erfahren möchte, lese diese Erfahrungen in Stohlers Blog auf www.weidemilch.ch. nach. Nach der anstrengenden Abkalbephase stehen „ein paar“ Besamungen bevor. Silvia hat diese Arbeit vor 4 Jahren übernommen. Dieses Jahr war der 10. April der Startpunkt der Besamungen. Die Herde innert 9 Wochen tragend zu bringen, ist das angestrebte Ziel. Silvia hat einen eigenen Kalender mit 3-Wochen-Raster und Magnet-Kühen entwickelt. 50 % der Tiere werden mit Neuseeländerinnen belegt, die andere Hälfte mit Angussamen. Ab der 3. Besamung werden nur noch Mastrassen verwendet.
Hatten wir während des ganzen Abends etwas Neuseeland am Himmel? Ja. Neuseeland heisst in Maori, der Sprache der Ureinwohner, „Aotearoa“. Das bedeutet übersetzt „Land der langen weissen Wolke“. Olsberg war überzogen von Wolken, welche uns ab und zu begossen. Alle waren aber der Meinung, dass sich Regen zurecht auf Segen reime.
Nach dem Rundgang durften wir eine knusprige Wurst vom Grill geniessen und feine Cakes als Bettmümpfeli geniessen. Wir danken an dieser Stelle nochmals für die interessante Führung und die Gastfreundschaft auf dem Maiacker.
Im Namen des Vorstands Bio NWCH
Marianne Jaggi
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